Literatur/Performance, Musik/Music

Musik & Literatur L’APRÈS-MIDI POUR DÉSIRÉE: DIE QUELLE PLAUDERT

 

Ein Nachmittag zum Eintauchen in eine ​poetisch-musikalische Welt, auf einer Brücke zwischen den Jahrhunderten …

Musik: Ligia Loretta Quartett
Ligia Loretta – Gesang, Kompositionen, Konzept
Emmanuel Mazé – Akkordeon
Georg Jantscher – Gitarre
Thorsten Zimmermann – Kontrabass
Lesung: Irmi Horn

Dieses Konzert mit Lesung ist eine Hommage an die Dichterin Désirée Ruprich (Wandervögel u. andere Gedichte), die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Steiermark lebte und in jungem Alter starb.

Wir gedenken in diesem Jahr der Erinnerung einer Frau, die im Kurort Radegund als Tochter des leitenden Sanatoriumsarztes salonmäßig Umgang mit kurenden KünstlerInnen pflegte. Auch Béla Bartok gehörte zu dieser Runde.

Die Sängerin und Komponistin Ligia Loretta widmet ihr neues Projekt dieser Dichterin, um sie genau 100 Jahre nach ihrem Tod zu würdigen und ihre berührenden und inspirierenden  Gedichte der heutigen Welt näher zu bringen. Sie vertonte die Gedichte Ruprichs zu originellen Stücken, angesiedelt zwischen Chanson und poetischem Jazz. Mit authentischem Gefühl und Intensität verleiht die leidenschaftliche Musikerin Ligia Loretta in ihrem Liederzyklus „Musique pour Désirée“ der Poesie und Sensibilität der Dichterin Désirée Ruprich Ausdruck. Sie und die drei virtuosen Musiker ihres Quartetts und Irmi Horn, die Lyrik der Dichterin liest, laden zu einem besonderen Juli-Spätnachmittag, der sowohl zum Innehalten, aber auch zum bewussten Zulassen von Emotionen und Empathie einlädt.

Es sind darunter Stücke verschiedener Genres: Balladen, Tangos, Bossanovas, es swingt oder klingt einmal funkig oder bluesig, wie ein Chanson, Valse oder Rumba, oder eine groovige Suite, irgendwo zwischen Chanson und kammermusikalischem Jazz … die Vielfalt der Vertonungsstils passt in keine Schublade.

Ligia Loretta schreibt: „Auf dieses Konzert mit der Grazer Uraufführung des Projekts „Musique pour Désirée“ im Kunstgarten freue ich mich enorm. Dieser besondere Rahmen ist für die Begegnung mit der Poesie der Dichterin Désirée
Ruprich, in deren Gedichte die Natur, die Bäume, die Blumen, der Duft der Sommerabende immer wieder besungen werden, ideal. Im Kunstgarten mit dessen Naturambiente, das auch Désirée lieben würde,
werden meine hochkarätigen Musiker und ich die Vertonungen präsentieren, welche ich anlässlich des 100. Todesjahres der Dichterin komponierte, hiermit möchte ich diese wunderbare, vor hundert Jahren in Graz bekannte und anerkannte Dichterin, wieder im Bewusstsein der Grazer aufleben lassen.“

Gleichzeitig nehmen wir Bezug auf die Entwicklung der Einstellung von Genderbewusstheit im vergangenen Jahrhundert. Unten vergleichsweise  zwei Gedichte:

Désirée Ruprich (Wandervögel u. andere Gedichte):

Desirée Ruprich
IN DER DÄMMERUNG

Die Desirée-Quelle in St.Radegund bei Graz trägt ihren
Namen nach Desirée Ruprich (1890–1918), einer Tochter von
Gustav Ruprich – Nachfolger und Schwiegersohn von Dr. Gustav Novy), die als Dichterin bekannt ist. (Zwischen 1921und 1956 war die jetzige Dr. Pollak-Quelle nach ihr benannt.)
Die von August Demelius in St. Radegund am Fuße des
Schöckls begründete Kaltwasser-Heilanstalt erhielt 1841
offiziellen Status und war die erste ihrer Art in der Steiermark.
Josef Schindler, der Nachfolger von Vincenz Prießnitz in Gräfenberg
(heute Lázně Jeseník, Tschechien) , übertrug die
Leitung der Heilanstalt in St. Radegund seinem Assistenten
Gustav Novy, der ab 1864 St. Radegund zum Kurort von internationalem
Rang machte und Bauherr des großen Kurhauses
war. Gustav Ruprich steigerte den Zustrom ungarischer Gäste
und war 1896–1912 Leiter der Kuranstalt, deren Blütezeit mit
dem Ersten Weltkrieg zu Ende ging.
1908 kam es zur ersten wissenschaftlichen Untersuchung der
St. Radegunder Quellen, die in Form von Quellenwegen in
den Kurbetrieb eingebunden waren. Die an der „Ungarischen
Runde“ gelegene Demelius-Quelle wurde 1830 gefasst und
ist mit Bruchstein-Mauerwerk gestaltet. Daneben findet sich
der um 1840 angelegte und 2014 revitalisierte „Doktorteich“.
Eine weitere Quelle, die wegen ihrer leichten Erreichbarkeit
den Namen „La source des paresseux“ (Quelle der Faulen)
trug, ist seit 1956 als Dr. Pollak-Quelle (nach Sepp Pollak,
Kurarzt ab 1922) bekannt. Die ursprüngliche Gestaltung mit
Bruchsteinen wurde durch eine Marmor-Einfassung bereichert
(ehemals mit bekrönender Darstellung des die Jungen mit dem
eigenen Blut zu neuem Leben erweckenden Pelikans nach dem
„Physiologus“).

 

 

 

 

 

 

Hier nun ein kleiner Ausflug in die Lyrik der Zeit:

Herbstgesang
Charles Baudelaire (1821-1867)
Bald wird man uns ins kalte Dunkel drängen;
Fahr wohl Du Licht, Du flüchtige Sommerwelt!
Schon hör‘ ich, wie im Hof mit dumpfen Klängen
Das Holz erdröhnend auf das Pflaster fällt.

Nun dringt der Winter ein. Und kein Erretten!
Zorn, Schauder, Haß, erzwungner Arbeit Pein;
Der Sonne gleich in des Polarlands Ketten
Wird bald mein Herz ein eisiger Klumpen sein.

Der Scheite Fallen läßt mich fröstelnd schauern;
Kein Mordgerüst, das dumpfer widerhallt.
Mein Geist bebt wie ein Turm, an dessen Mauern
Der Stoß des Widders unermüdlich prallt.

Mir scheint, von diesem hohlen Lärm benommen,
Als ob in Hast, – für wen? – den Sarg man baut,
Sommer war gestern, Herbst ist heut gekommen,
Und Abschied heißt der rätselhafte Laut.
* * * * *

Wohl lieb‘ ich Deiner Augen grünen Schimmer,
Du Süße, aber heut wird alles schwer,
Nicht Deine Liebe, nicht Kamin und Zimmer
Ersetzt mir heut das sonnbestrahlte Meer.

Und doch laß mir Dein zartes Herz erblühen,
Sei Mutter Du dem Frevler irr und krank;
Geliebte! Schwester! Sei das sanfte Glühen
Des flüchtigen Herbst’s, der Sonne, die versank.

Nur kurze Müh! – Hörst Du mein Grab bereiten?
Die heiße Stirne ruht auf Deinen Knien.
Des fahlen Sommers Glut fühl‘ ich entgleiten,
Sanft goldnen Herbst durch meine Seele ziehn.

Die Blumen des Bösen

Gottfried Benn (1936)
Einsamer nie als im August:
Erfüllungsstunde – im Gelände
die roten und die goldenen Brände,
doch wo ist deiner Gärten Lust?Die Seen hell, die Himmel weich,
die Äcker rein und glänzen leise,
doch wo sind Sieg und Siegsbeweise
aus dem von dir vertretenen Reich? Wo alles sich durch Glück beweist
und tauscht den Blick und tauscht die Ringe
im Weingeruch, im Rausch der Dinge −:
dienst du dem Gegenglück, dem Geist.
Paul Verlaine (1844 – 1896)
Herbstlied
Hohler Ton,
Violenton,
Bang im Herbste,
Stöhnt mit ein-
Töniger Pein
Lang im Herzen.Ganz verstummt,
Wenn Turm summt,
Stunden schlagen,
Bleich und wach
Wein ich nach
Früheren Tagen.Und ich geh
Im Wehn und Weh
Hingetrieben,
Da, dort,
Wie verdorrt
Blätter stieben.
2.Herbstlied
Den Herbst durchzieht
Das Sehnsuchtslied
Der Geigen
Und zwingt mein Herz
In bangem Schmerz
Zu schweigen.Bleich und voll Leid,
Dass die letzte Zeit
Erscheine,
Gedenk‘ ich zurück
An fernes Glück,
Und ich weine.Und so muss ich gehn
Im Herbsteswehn
Und Wetter,
Bald hier, bald dort,
Verweht und verdorrt
Wie die Blätter.

 

Verfall, Georg Trakl (1887 – 1914)

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,
Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden,
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

Herbst, Else Lasker-Schüler (1869 – 1945)

Ich pflücke mir am Weg das letzte Tausendschön …
Es kam ein Engel mir mein Totenkleid zu nähen –
Denn ich muß andere Welten weiter tragen.

Das ewige Leben dem, der viel von Liebe weiß zu sagen.
Ein Mensch der Liebe kann nur auferstehen!
Haß schachtelt ein! wie hoch die Fackel auch mag schlagen.

Ich will dir viel viel Liebe sagen –
Wenn auch schon kühle Winde wehen,
In Wirbeln sich um Bäume drehen,
Um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.

Mir ist auf Erden weh geschehen …
Der Mond gibt Antwort dir auf deine Fragen.
Er sah verhängt mich auch an Tagen,
Die zaghaft ich beging auf Zehen.

Dämmerung
Ich halte meine Augen halb geschlossen,
Graumütig ist mein Herz und wolkenreich.
Ich suche eine Hand, der meinen gleich…
Mich hat das Leben, ich hab es verstoßen
Und lebe angstvoll nun im Übergroßen
Im irdischen Leibe schon im Himmelreich.
Und in der Flühe war ich blütenreich
Und über Nacht froh aufgeschossen,
Vom Zauber eines Traumes übergossen –
Nun färben meine Wangen meine Spiegel bleich.

Ein Lied

So sag mir doch –
Ich liebe dich –
Bevor der Tag ganz dunkel wird.

Mein Lebenlang
Und immer noch
Bin müde ich umhergeirrt.

Ich liebe dich.
Ich liebe dich.
Ich liebe dich . . . . . . .

Es färben deine Lippen sich –
Die Welt ist taub,
Die Welt ist blind;

Und ihre Wolke
Und das Laub.

Nur wir und noch –
Der Anfang sind.

Ich liebe dich . . . . . .

Das Geheimnis,  Peter Rosegger 1843 – 1918
Im Walde Frieden. Zwei Hummeln läuten.
Der Tag ist schon neigend.
Da nahen Gestalten aus fernen Zeiten,
Sie grüßen mich schweigend,
Die alten Bekannten,
Sie winken mir stumm ein Geheimnis zu
Und schwanken vorbei.
… Ich hab‘ nichts verstanden.

An die Steiermark
Gottbegnadet Land! Zur Maienzeit
Sei dir, Styria, ein Strauß geweiht.
Du bist göttlich schön. — Die Felsenstirn
Stolz gekrönet mit diamant’nem Firn!
Leuchtend als dein Aug‘ die klaren See’n,
Wo als Brau’n die heiligen Tannen steh’n.
Hier die gold’nen Aehren, dort die Neben
Froh um deinen Busen Kränze weben,
Und allda, wo anderwärts der Spaten
Nichts zu finden weiß, als ewigen Schatten,
Tief in deiner Berge treuem Herzen
Bist du reich an unschätzbaren Erzen,
Deren Kraft der Erde Frucht erneut,
Deren Klang das reine Herz erfreut,
Deren Schall die Feinde macht erbeben.
Schön bist du und herrlich, mild und stark,
Noch im Grabe weltaufbauend Leben
Birgst du, hochgeliebte Steiermark.

INFORMATION

  • Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldung bis spätestens 2 Stunden vor Programmbeginn – bei einer Matinée bitte bis zum Vorabend – unter kunstgarten@mur.at oder +43 316 262787