Ausstellung/Gartenkunst

Opening: ROCHADE. Was sonst?

Eilert Asmervik UNGEMESSENE SAMMELSTELLEN DES WELLENBADES, 2020 (Detail)

Die international besetzte Ausstellung zeigt Arbeiten von Eilert Asmervik, Adrian Buschmann, İlkin Beste Çırak &  Nigel Gavus und Sigrid Mau und wird von der Bürgermeisterin der Stadt Graz, Frau Elke Kahr, und der Kunsthistorikerin Iris Kasper, MA eröffnet.

Kuratorin: Irmi Horn

ROCHADE: Gibt es Strategien für eine lebenswerte Welt?

Die jungen Künstler*innen setzen sich mit den Lebensbedingungen, Hoffnungen, Erwartungen und Aussichten der Erdenbewohner*innen kritisch, humorvoll, sarkastisch und überaus ästhetisch auseinander.
Sie zeigen Perspektiven und Blickwinkel, die vom Jetzt, dem status quo, in die Zukunft gerichtet sind und wie bisher in der Kunst bedeutungsvolle Szenarien in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen lassen. Zeitgenössische Positionen & Utopien treten in einen Diskurs.

In Zeiten der Pandemie und des Krieges, der Zeitbombe Klimawandel, der weiterhin ungerecht verteilten Güter der Erde und der Gewinne daraus, die durch Leistung unzähliger namenloser und großteils ausgebeuteter Menschen und deren Kinder erzielt werden, sind die meisten Menschen noch nicht dazu bereit, auf Überfluss zu verzichten, Gerechtigkeit einzufordern und dafür aufzutreten: eine Gerechtigkeit, die den Rechtsstatus, das Eigentum an den Produktionsmitteln, das Einkommens- oder Ausbildungsniveau, das Geschlecht, die nationale oder ethnische Herkunft betrifft.

Mag der eine oder die andere meinen, wieso werden Künstler*innen oder Kulturinstitutionen unterstützt, wo es doch an so vielen Ecken und Enden fehlt.
Immerhin gibt es zu bedenken:
Ende 2020 besaß 1,1 Prozent der Weltbevölkerung 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens. Im Jahr 2021 galten in Österreich insgesamt rund 1,6 Millionen Personen als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet*.
Über eine Million Kinder sterben jährlich an schwerer, akuter Mangelernährung, und jeden Tag sterben etwa 150 Arten – Tiere und Pflanzen – auf dieser Welt aus und kehren nie wieder zurück.

Aus der Geschichte wissen wir, dass viele Künstler*innen ein hartes Leben fristen mussten und nur gut überleben konnten, wenn sie Gönner*innen hatten. Und diese Mäzen*innen schmückten sich dann meistens mit der abgelieferten Kunst.

Auch Leonardo da Vinci überlebte durch Mäzene. Z. B. Ludovico Sforza, Cesare Borgia, Lorenzo de Medici. Da Vinci war ein universalgelehrter Künstler und hinterließ vor seinem Tod noch Informationen wie diese: „Die Luft wird dünner und ohne Feuchtigkeit sein, die Flüsse werden ohne Wasserzufuhr bleiben, das Erdreich nichts mehr wachsen lassen. Die Tiere werden verhungern. Auch den Menschen wird nichts übrig bleiben, als zu sterben. Die einst fruchtbare Erde wird wüst und leer.“

Und genau aus diesem Grund, dass Künstler*innen, von denen noch immer viele ums Überleben ringen müssen, und Gelehrte dorthin zeigen, wo etwas zu hinterfragen ist, sollten wir alle uns glücklich schätzen, wenn Kunst auch in Zeiten wie diesen anerkennenden Respekt findet, öffentlich gefördert wird und Menschen berühren kann.
Künstler*innen sollten von ihrer Arbeit „Kunst“ leben können. Ihre Arbeit sollte nicht als finanzielle Wertanlage, sondern als ästhetisch-empathisches Erlebnis oder ethisch-moralische Folter, als Wertanlage eines Erkenntnisgewinns gesehen werden.

Wenn Kunst und Kultur als fundamentale Bestandteile der Gesellschaft erkannt werden, sollte auch ein Zusammenhalt der Menschen durch eine Rochade in den Besitzmechanismen zu einer gerechten, lebenswerten Welt errungen werden.

Oder reicht es, wenn die Kunstsammlung Habsburg-Lothringens im kunsthistorischen Museum aktuell für € 18 öffentlich zugänglich ist?

Die Ausstellung ist bis 23. Oktober zu sehen.

Eilert Asmervik (*1997, Trondheim, NOR) wohnt und arbeitet zwischen Graz und Paris.

Als bildender Künstler mit Malerei als Hauptfach lotet er unterschiedliche Möglichkeiten für Bildwelten aus und verarbeitet die Bedingungen der Entstehung. Die malerische Praxis steht in einem ständigen dynamischen Austausch mit seiner parallel eingesetzten Musik-Klangverbindung, was wechselseitig befruchtend wirkt.
Eine Ãœberlagerung von Bildwelten sättigt das Spektrum seiner medienübergreifenden Bildproduktion; digitale, gemalte und gedruckte Bilder bilden Bindeglieder in der „Kette von Bild und Aber-Bild“.

Als Nebeninstrumente des künstlerischen Schaffens treten unter anderem Video, Sounddesign, Publikationen und Installation auf.

Er studiert seit 2019 Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Daniel Richter, mit Aufenthalten an der Beaux Arts de Paris bei Nina Childress (2021/22) und der Akademie der bildenden Künste Düsseldorf bei Andreas Schulze (2023). Ausgestellt bei u.a. Forum Stadtpark Graz, kunstGarten Graz, Printed Matter New York und Galerie Sophie Tappeiner Vienna.

Eilert Asmervik & Nigel Gavus 

OHNE TITEL (Video Color, Sound, 30:00 min, 2022)

Does the sound come to the ear or does the ear go to the sound? 
The film has arisen through improvisatory nature and openness.
In it, we float through awareness of sound, reality planes, and ambiguousness.

Appreciating the singularity of wordlessness and plenty of possible planes of subjective interpretation the creators have preferred not to commit further categorization or definition by words.

Kommt der Ton zum Ohr oder geht das Ohr zum Ton? 
Der Film entstand durch Improvisation und Offenheit.
In ihm schweben wir im Bewusstsein von Klang, Realitätsebenen und Mehrdeutigkeit.

Die Macher schätzen die Singularität der Wortlosigkeit und in Anbetracht der vielen möglichen Ebenen der subjektiven Interpretation haben sie es vorgezogen, sich keiner weiteren Kategorisierung oder Definition durch Worte zu unterwerfen.

Adrian Buschmann MARNI (MISERABLE), 2022, Mixed Media, ca. 70×40 cm.

Die frühen Arbeiten Adrian Buschmanns (Kattowitz/PL 1976) waren geprägt von Referenzen zur Kunst der Romantik, von der Suche nach dem Nichts, von an Verweigerung grenzender Reduktion. Die Beschäftigung mit Vorbildern (Picabia, Chwistek, Kandinsky) zeigt sich in Buschmanns Werk ebenso wie das Streben nach selbstreferenziellen Eigenschaften eines Gemäldes. Ein komplexes System aus Zeichen und Strichen, vorwiegend abstrakt mit wenigen figürlichen Details, daneben nicht klar begrenzbare Farbflächen, Textbestandteile und stark malerische Partien definieren seine Kompositionen. Adrian Buschmann studierte an der Akademie der Künste Berlin bei Daniel Richter und erhielt einen Anerkennungspreis des STRABAG Artaward International 2013. Seit 2014 lebt und arbeitet Buschmann an der italienischen Riviera, in Wien oder sonstwo. Seine Installationen im kunstGarten sind eine Überraschung, sie entstehen vor Ort und sind ab der Eröffnung zu sehen.

 

 


İlkin Beste Çırak
& Nigel Gavus

*1994 Izmir, lebt in Wien / *1992 Graz, lebt in Wien und Graz

İlkin Beste Çırak ist als bildende Künstlerin und Poetin tätig. Sie ist Absolventin der Universität für angewandte Kunst (Social Design) und studiert derzeit Bildhauerei & Raumstrategien an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ausgehend von öffentlichen Räumen als Kern des Zusammenlebens beschäftigt sie sich mit Lokalitäten, Identität, Kulturproduktion und Partizipation. Sie lebt und arbeitet in Graz und Wien.

Nigel Gavus ist als Filmemacher und bildender Künstler tätig. Er absolvierte die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film und studiert derzeit an der Akademie der bildenden Künste Wien. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit Zeit, Erinnerung, Identität und der Beziehung zwischen Poesie und Kino. Er lebt und arbeitet in Wien und Graz.

It’s on a day like this … (16mm to Video, Color, Sound, 16:00 min, 2021)

Synopsis:

Eine Frau liegt auf einem Bett, umgeben von alltäglichen – popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen das ganz Große umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt durch Genauigkeit und Prägnanz entgegentritt.

Der Film könne denken, indem er Verhältnisse zwischen Menschen und Dingen herstelle und abbilde, schrieb Alexandre Astruc. In Nigel Gavus’ und İlkin Beste Çıraks It’s on a day like this… wird die bestechende Klarheit dieser Beobachtung im Film und am Film augenscheinlich: Eine Frau liegt auf einem weiß bezogenen Bett, umgeben von einfachen – alltäglichen, popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu entspinnt sich auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen, der Welt der Objekte, das ganz Große, die Fragen der Existenz in einer Gegenwart außerhalb des Bildes, umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt, eines von vier Seiten umgebenen Kaders durch die Genauigkeit und Prägnanz eines körperlichen Spiels und eines filmischen Blicks entgegentritt. Alles ist möglich, auf kleinstem Raum, im Kino wie im Leben.

Text: Alejandro Bachmann

Letters from a Window (35mm to Video, B&W, 4:30min, 2020)

Synopsis:

Stillstehende Bewegung – Bewegung im Stillstand – Fotofilm. Momentaufnahmen einer Reise durch städtische Zonen, durch ein verloren gegangenes Außen. Dazu das poetisch-monologisierende Voice-over einer Frau, die über die Trennung von der Welt, über Erinnerung und Traum reflektiert. Ein surrealer filmischer Brief über die unwirkliche Stimmung in Krisenzeiten.

„I’m a shadow. I’m a vague image that travels in memories. What distinguishes a human from a picture?“ Eine Frau auf dem Weg durch eine Stadt. Momentaufnahmen des Außen, des urbanen Treibens, von Architektur, Menschen, Gesichtern und flüchtigen Begegnungen. Festgehalten in kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern – Standbilder, denen durch Bewegungsunschärfen, Bildmontagen und eine atmende Handkamera Leben eingehaucht wird. Stillstehende Bewegung, Bewegung im Stillstand, Fotofilm. Das lebendige Leben aber spielt sich auf der Tonebene ab: Stadtgeräusche, Straßenverkehr, hier und da Stimmen von Passant/innen – Abhan­dengekommenes. Das, was den Menschen ausmacht, von Steinen unterscheidet, entfaltet sich im poetisch-monologisierenden Voice-over, das über die Trennung von der Welt und von geliebten Menschen, über Erinnerung und Traum reflektiert. Innere Bewegung, Entfremdung, Sehnsucht. Die unwirkliche Stimmung einer Zeit der Krise – festgehalten in einem surrealen filmischen Brief, den es zu übermitteln gilt.

Text: Michelle Koch

8 x 8: exquisite corpse (16mm to Video, 01:30 min, 2020)
Der Film „8 x 8: exquisite corpse“ ist ebenfalls eine Zusammenarbeit zwischen zwei Künstlern (Nigel Gavus & Ilkin Beste Cirak), in der das Schachspiel zu einer Suche nach unterbewussten Entdeckungen wird.
Ihr künstlerisches Experiment konzentriert sich auf Dualität, Bewegung und Multiplikation und bereichert sich durch die Methoden der „exquisite corpse“, einer spielerischen Technik, die von den Surrealisten André Breton, Marcel Duchamp, Yves Tanguy und Jacques Prévert in den 1920er Jahren erfunden wurde. Der Titel des Films bezieht sich auch auf das analoge Schwarz-Weiß-Filmformat – Doppel 8 mm – sowie auf das Layout eines Schachbretts (Acht-mal-Acht-Raster).
Das Rohmaterial Doppel 8 mm, ein Filmformat aus den 1930er Jahren, bestimmt die Kamera- und Montagearbeit. Die Bildproduktion basiert auf dem Aufbau des Doppel-8-mm-Films, der 16 mm breit ist. Die erste Hälfte des Films wird in der Kamera belichtet und dann umgedreht, damit die zweite Hälfte umgekehrt belichtet werden kann. Diese Technik erinnert an den einfachen Mechanismus eines „exquisite corpse“. Normalerweise wird der Film nach der Entwicklung geschnitten und in zwei Filmstreifen aufgeteilt. Bei diesem Film haben die KünstlerInnen diese Teilung bewusst vermieden, um den Doppeleffekt im Material zu erzeugen. Das Ergebnis ist ein 16-mm-Film mit geteiltem Bildschirm, auf dem zwei 8-mm-Spuren gleichzeitig laufen.
Dieser Film manifestiert sich als eine zweiseitige surrealistische Reise einer Schachpartie. Die linke Spur folgt den einzelnen Zügen auf rationalistische Weise, während die rechte Spur eine menschliche Bildsprache darstellt, die abstrakte Bilder als Reflexionen des Spiels projiziert.

Ä°lkin Beste Çırak & Nigel Gavus „8 x 8: exquisite corpse“ (16mm to Video, 01:30 min, 2020), Videostill

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausstellungsansicht: Ilkin Beste Cirak & Nigel Gavus Filmstill „8 x 8: exquisite corpse“ (16mm to Video, 01:30 min, 2020)

 

 

 

 

 

 

 

 


İlkin Beste Çırak
„where memories sink then“ (2022), Installation

Ä°lkin Beste Çırak „where memories sink then“ (2022), Installation

Sigrid Mau (geb. 1994 in Dänemark) studiert seit 2016 Malerei und Performance an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie arbeitet hauptsächlich mit Malerei/Zeichnung und textbasierten Performances, die sich mit Themen wie Sexualität und Dominanz, Einsamkeit und Fruchtbarkeit, Paranoia und Besessenheit und ihren Auswirkungen auf den weiblichen Körper und die weibliche Psyche auseinandersetzen.

Sigrid Mau Ausstellungsansicht