Literatur/Performance, Musik/Music

IN MEMORIAM Ilse Weber – Gegen das Vergessen

Irma & Irmi

Irmi Horn stellt Ilse Weber vor und liest aus „Es war einmal, es ist noch gar nicht lange her“ & „In deinen Mauern wohnt das Leid“,  Irma Servatius (Viola, Singstimme) begleitet mit Webers Kompositionen.

Das Leben von Ilse Weber und ihre Erfahrungen mit dem Holocaust hinterlässt ein bewegendes, intimes und herzzerreißendes Vermächtnis. Die in der ehemaligen Tschechoslowakei  als Ilse Herlinger (*11. Januar 1903 in Vítkovice, einem Stadtteil von Ostrava – einer Stadt im Nordosten der heutigen Tschechischen Republik) geborene Autorin, Sängerin und Liedermacherin zeigte viele kreative und musikalische Talente, bevor ihr Leben durch den Aufstieg des Nationalsozialismus während des Zweiten Weltkriegs gewaltsam unterbrochen wurde. Nach dem Anschluss ihrer Stadt an das Dritte Reich im Jahr 1939 waren Weber und ihre Familie verschiedenen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, die zu ihrer Deportation in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt führten, wo sie bis 1944 im Kinderkrankenhaus arbeitete und Gedichte und Lieder schrieb, um die jüngeren Häftlinge zu unterhalten. Als die Bewohner des Kinderkrankenhauses Anfang 1944 nach Osten deportiert werden sollten, weigerte sich Weber, sie im Stich zu lassen, und schloss sich freiwillig dem Transport ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau an, wo sie und ihr Sohn Tomáš ermordet wurden. Ihr Ehemann Wilhelm überlebte den Krieg und schaffte es, die Gedichte und Lieder seiner Frau vor ihrer Deportation aus Theresienstadt in einem Gartenhaus zu verstecken, um sie erst Ende 1945 wiederzufinden. Durch die „vergessene“ Stimme von Ilse Weber, die in ihren Liedern und wiedergefundenen Schriften erhalten geblieben ist, werden wir an den tragischen Verlust junger Talente, an den Beitrag jüdischer Künstlerinnen im Allgemeinen und an die Bedeutung der Kreativität als Form des geistigen Widerstands angesichts des menschlichen Leids und der Verderbtheit erinnert. (Auszug: https://holocaustmusic.ort.org/de/places/theresienstadt/ilse-weber/)

Die menschliche Stimme ist tatsächlich der privilegierte (eidetische) Ort des Unterschieds: ein Ort, der sich jeder Wissenschaft entzieht, da es keine Wissenschaft gibt (Physiologie, Geschichte, Ästhetik, Psychoanalyse), die der Stimme gerecht wird […]. Es gibt keine menschliche Stimme auf der Welt, die nicht Objekt des Begehrens wäre – oder des Abscheus: Es gibt keine neutrale Stimme – und falls mitunter diese Neutralität, dieses Weiß der Stimme auftritt, so ist dies für uns ein großes Entsetzen, als entdeckten wir mit Schrecken eine erstarrte Welt, in der das Begehren tot wäre.
Roland Barthes

Mit unseren Stimmen wollen wir dem Publikum mittels dieses lyrischen Programms ein vehementes Begreifen vermitteln und damit  einen geistigen Vollzug der Thematik bewirken.

Ilse Weber und Mutter Therese Herlinger, 1920er Jahre, Quelle: Kingston Ostrava Group & Archiv des Jüdischen Museums Prag, Nachlass von Hanuš Weber

Ilse Weber, geborene Herlinger (11. Januar 1903 in Witkowitz (heute Vítkovice), damals Österreich-Ungarn – 6. Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau), war eine tschechoslowakische deutschsprachige Schriftstellerin. Viele ihrer Texte erschienen posthum. Ilse Weber wurde als Jüdin während der Judenverfolgung durch deutsche Organe in der Tschechoslowakei nach einer ersten Deportation (1942) aus dem Konzentrationslager Theresienstadt weiter nach Auschwitz gebracht und dort gemeinsam mit ihrem Sohn und anderen von ihr in der Gefangenschaft gepflegten Kindern in einer Gaskammer ermordet.

Ich wandere durch Theresienstadt,
vorbei an dem strengen Gendarmen,
die Laute, die man mir geliehen hat,
wie ein Kind verpackt in den Armen

Mein Herz schlägt schneller,
die Wange brennt in des Gefürchteten Nähe.
Es wäre geschehen um das Instrument
wenn er es bei mir sähe.

Wir sind ja verurteilt an diesem Ort
zu tiefster Verzweiflung und Schande,
und die Instrumente nahm man uns fort
als gefährliche Konterbande.

Wir dulden Hunger und Freiheitsraub und alles,
womit sie uns quälen,
doch richten sich immer empor aus dem Staub
die niedergetretenen Seelen.

Wir dürfen, umgeben von Tod und von Grauen,
den Glauben an uns nicht verlieren.
Wir müssen der Freude Altäre bauen
in den düsteren Massenquartieren.

Mit Dichterwort und ein wenig Musik
wollen wir dem Elend entfliehen.
Aus schlichten Liedern soll bißchen
Glück und gütiges Vergessen erblühen.

Und wenn wieder einige sich gestehen,
die nahe schon am Verzagen:
»Es ist auf der Welt doch auch manchmal schön,
nun können wir’s wieder ertragen«

dann fühlt man um sich so reiches Glück,
daß man geholfen hat den Armen,
und trägt furchtlos die Laute wieder
zurück unter dem Blick des Gendarmen.

Erinnern!

An den Grazer Hochschulen fand der Nationalsozialismus schon sehr früh breite Akzeptanz. Im Februar und März 1938, der Zeit der illegalen Demonstrationen, waren die Hörsäle nahezu verwaist, weil sich die Studenten fast vollständig in den Dienst der „Bewegung“ gestellt hatten. Auch in der SS und SA gab es eine breite Beteiligung von Seiten der Studenten.

Nach dem Umbruch verstand sich die Grazer Universität als südöstlicher Vorposten der neuen deutschen Wissenschaftsauffassung, als kulturpolitischer Wegbereiter des Deutschtums und als „Bollwerk gegen die Gefahr aus dem Osten“. In einem Jubeltelegramm an Adolf Hitler dankte ihm die Universität für die lang ersehnte Vereinigung mit dem Deutschen Reich. Dem Wunsch, die Grazer Universität „Adolf Hitler Universität“ zu nennen, wurde nicht stattgegeben, das Unterrichtsministerium lehnte das Ansuchen im September 1938 ab.
1934 gehörten 1.720 Personen der Israelitischen Kultusgemeinde an, das waren 1,1 % der Grazer Gesamtbevölkerung. Ein Großteil der jüdischen Einwohner lebte und arbeitete in den Bezirken Lend und Gries, der Murvorstadt. In den Monaten nach dem „Anschluss“ setzte der nationalsozialistische Terror ein – Verhaftungen, „Arisierungen“, Zwang zur Auswanderung. Zwischen März und November 1938 emigrierten 417 Grazer Juden allein nach Palästina. In der „Reichskristallnacht“ – Novemberpogrom 9./10. 1938 fielen die Zeremonienhalle und die Synagoge organisierter Brandlegung zum Opfer. In Graz verbliebene Juden mussten in der Folge nach Wien übersiedeln, von wo aus später ihre Deportation erfolgte. Im März 1940 wurde die Israelitische Kultusgemeinde aufgelöst, Graz und die Steiermark galten nun als „judenrein“.

INFORMATION

  • Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldung bis spätestens 2 Stunden vor Programmbeginn – bei einer Matinée bitte bis zum Vorabend – unter kunstgarten@mur.at oder +43 316 262787
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