Gespräch & Ciné privé: In Erinnerung an die Pogromnächte und die schrecklichen Konsequenzen
An zwei Nachmittagen um 17:00 will kunstGarten mit einem Film das Bewusstsein für Menschenrechte schärfen und auf verschwiegene und oft noch unaufgeklärte Vergehen hinweisen und generell ein Zeichen zur Achtung der MENSCHENRECHTE setzen.
In der Nacht auf den 10. November 1938 ging die Grazer Synagoge in Flammen auf, die Gebäudereste wurden in den Tagen nach dem Pogrom gesprengt und abgerissen. Auch die Zeremonienhalle auf dem jüdischen Friedhof wurde in Brand gesetzt.
Im Zuge des Novemberpogroms wurden in Graz rund 300 – in der Steiermark insgesamt an die 350 – Juden verhaftet die meisten wurden am 11. November 1938 in das KZ Dachau überstellt.
Dieser fortschreitenden Eliminierung von „Feinden“ ging schon Eugenik und NS-Gesundheitspolitik voraus: Gesundheitspolitisches Ziel der Nationalsozialisten war die Bildung eines „rassenreinen“, erbgesunden und leistungsfähigen deutschen „Volkskörpers“. Die Umsetzung dieses Ziels sollte einerseits durch die „Ausmerzung“ – und somit Ausschluss des „Minderwertigen“ von der Fortpflanzung – , andererseits durch unterstützende Maßnahmen zur Förderung der Produktion „erbgesunder“ und „hochwertiger“ Volksgenossen erreicht werden. Diesbezügliche Vorgaben des NS-Staates wurden in den Gesundheitsämtern umgesetzt.
Am 14. Juni 1933 wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses als eines der ersten Gesetze des NS-Regimes verabschiedet. Die Zwangssterilisation bildete in Folge eine der wichtigsten Maßnahmen negativer eugenischer Auslese. Mit 1. Jänner 1940 trat dieses Gesetz auch in der „Ostmark“ in Kraft.
Die Maßnahmen der Zwangssterilisierung waren jedoch nach Meinung der NS-Ideologen in ihrer Tragweite nicht ausreichend, da sie erst nach Generationen Resultate zeigen konnten. Man zielte auf die völlige Ausschaltung der so genannten „Minderwertigen“ ab.
Adolf Hitler gewährte Reichsleiter Bouhler und seinem Leibarzt Dr. Brandt mit dem „Gnadentoderlass“, „daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“. Dieser Brief bildet die Grundlage für die Herausbildung der Organisation und Durchführung der NS-Euthanasie. Eine juristische Legitimation wurde nie geschaffen. Die Organisationszentrale richtete man in Berlin in der Tiergartenstraße 4 ein; nach dieser Adresse wurde die Zentrale auch „T4“ genannt. Der Begriff der „Aktion T4“ setzte sich in der Nachkriegszeit für die Bezeichnung der Euthanasie-Aktion durch.
Ein Ort: Im Frühjahr 1940 führte man innerhalb weniger Wochen Umbau-arbeiten hinsichtlich einer Adaption des Schlosses zu einer Euthanasie-Anstalt durch; die BewohnerInnen wurden zu diesem Zeit-punkt auf andere Pflegeanstalten im Gau Oberdonau verteilt. Sie sollten zu den ersten Opfern der Tötungsanstalt Hartheim werden.
Der erste Transport erreichte Hartheim am 20. Mai 1940. Zwischen 1940 und 1944 wurden im Schloss Hartheim rund 30.000 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung sowie psychisch kran-ke Menschen ermordet. Sie waren teils PatientInnen aus psychi-atrischen Anstalten und BewohnerInnen von Behinderten ein-richtungen und Fürsorgeheimen, teils Häftlinge aus den KZ Maut-hausen, Gusen und Dachau sowie ZwangsarbeiterInnen.
Im Sonderstandesamt Hartheim, welches im Schloss untergebracht war, stellte man die Todesurkunden aus. Auf diesen Dokumenten wurden hinsichtlich Todesursache, Todestag und Todesort gezielt falsche Angaben gemacht, um die Angehörigen auf eine falsche Spur zu führen und Nachforschungen zu erschweren. Als Todesursache gab man dabei gerne „Lungen-tuberkulose“ an, da es sich um eine ansteckende Krankheit handelte, die es bedingte, den Leichnam sofort zu verbrennen. Das System des Akten-Austausches zwischen den Euthanasie-Anstalten trug zum Gelingen dieser Verschleierungstaktik bei.
Die Tötungsanstalt Hartheim stand unter der medizinischen Leitung des Linzer Psychiaters Dr. Rudolf Lonauer. In seinen Kompetenzbereich fielen die Tötung der Opfer, die Bestim-mung der Todesursache, die Führung der Krankenakten und die Vertretung der „Landesanstalt Hartheim“ nach außen. Rudolf Lonauer war auch ärztlicher Direktor der Gau-Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz. Diese fungierte als Zwischenstation für Opfer auf dem Weg nach Hartheim. Rudolf Lonauer beging im Mai 1945 Selbstmord. Stellvertretender medizinischer Leiter war Dr. Georg Renno. Ihm gelang es nach 1945 unterzutauchen, 1961 wurde er festgenommen. 1967 kam es zur Anklage, das eingeleitete Ver-fahren wurde 1970 aufgrund des schlechten attestierten Gesund-heitszustandes des Angeklagten eingestellt. Georg Renno starb 1997 in Freiheit.
Rechnitz, eine Grenzgemeinde im südlichen Burgenland: Der eiserne Vorhang ist abmontiert, die Nachkriegszeit vorbei. Flüchtlinge bringen neuen „Fremdenverkehr“. Die Vergangenheit scheint passé, doch wie ein Schatten liegt sie über dem Ort: 10 Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden hier 180 jüdische Zwangsarbeiter erschossen und verscharrt. 1990 wird in Rechnitz mit Grabungen begonnen; die Opfer sollen exhumiert und nach jüdischem Ritual bestattet werden. Initiator ist Isidor Sandorffy, der bereits an mehreren Orten im Burgenland dank verschiedener Hinweise aus der Bevölkerung bei der Suche nach anonymen Gräbern erfolgreich war. Anders in Rechnitz: Hier stößt er auf eine Mauer des Schweigens über den Ort des Massengrabes.
INFORMATION
- Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldung bis spätestens 2 Stunden vor Programmbeginn – bei einer Matinée bitte bis zum Vorabend – unter kunstgarten@mur.at oder +43 316 262787