Irmi Horn liest ➨ DIE PANNE.
https://www.youtube.com/watch?v=2EgS5hERkaY&feature=youtu.be
Der Lektor und Dozent für Linguistik Matthias Leimbach zieht folgende Schlussfolgerung:
Mit Die Panne ist Dürrenmatt eine der wichtigsten deutschen Erzählungen des 20. Jahrhunderts gelungen, deren besondere Finesse durch die Verbindung von Inhalt und Form entsteht.
Inhaltlich steht das Gerichtsspiel der Alten im Vordergrund. Zu diesem gesellt sich das Spiel mit den Identitätsentwürfen, welches die Anwälte als eine Art mise en abyme betreiben und somit metatextuell auf Dürrenmatts Konzept der möglichen Erzählungen referieren. Es ist eine experimentelle Erzählung, in der der Autor Möglichkeiten der Erzählung testet, indem er seine eigenen Figuren diese ausprobieren lässt.
Dürrenmatt deckt die Macht der Erzählung auf, indem er sie am Beispiel des Alfredo Traps durchexerziert. Dies erscheint so bedeutend, weil er nicht nur seinen Figuren unterschiedliche Entwürfe an die Hand gibt, sondern weil er selbst drei verschiedene Enden verfasst hat. Diese Alternativen haben eine wichtige Bedeutung für Dürrenmatts Frage nach Schuld, denn sie zeigen, dass es in der modernen Welt keine eindeutigen Antworten mehr gibt. Die Bewertung von Schuld hat ihre objektiven Kriterien verloren.
Um dies zu konkretisieren: Objektivität ist nicht mehr möglich, weil sie immer von einer Darstellung, einer Erzählung abhängig ist. Dürrenmatt zeigt auf, dass es immer verschiedene Versionen einer Wahrheit gibt. Somit ist die Erzählung an sich unbedeutend, da austauschbar. Ihre eigentliche Macht gewinnt sie erst durch die Art wie erzählt wird. Denn unterschiedliche Erzählungen werden auch verschieden gedeutet. Eine Erzählung am überzeugendsten zu gestalten bedeutet Anspruch auf die eine wahre Geschichte zu haben – Wahrheit, und Traps Fall die Schuld, ist nicht existent, bis sie glaubwürdig erzählt wird. Dies wird in Die Panne in einem komplexen Erzähl-Gefüge auf eindrucksvolle Weise dargestellt.
Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiographisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb am 14. Dezember 1990 in Neuchâtel.
Kein anderer Schweizer Schriftsteller inspirierte mehr Cineasten als Friedrich Dürrenmatt, der im Januar 100 Jahre alt geworden wäre. Seine Stoffe wurden auf der ganzen Welt adaptiert, weil sie sich um universelle Themen wie Gerechtigkeit, Glaube und Rache drehten, aber viel Spielraum für eigenwillige Umsetzungen ließen. Dürrenmatt wurde zu allen Zeiten auf der ganzen Welt verfilmt: in Hollywood, in Asien, in Italien, in Ungarn und sogar in Senegal (Hyènes von Djibril Diop Mambéty).
Friedrich Dürrenmatt (1921−1990) selber, der zweimal mit einer Schauspielerin verheiratet war, liebte das Kino. Sein Schulweg in Bern führte an acht Kinos vorbei, und oft verbrachte er ganze Nachmittage im Bann der Leinwand, während ihn seine Eltern in der Schule wähnten. Das Bildmedium half dem Spross eines Landpfarrers auch dabei, sich vom protestantischen Elternhaus zu emanzipieren.
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