Barbara Hammer, Aus der Serie SÜDBAHN, Holzschnitt/woodcut 2022
Arbeiten von Barbara Hammer, Lore Heuermann, Markus Wilfling, Cy Twombly im kunstGarten und in der Street Gallery.
Kuratorin: Irmi Horn
Auf der Suche kann jemand nach etwas Verlorenem sein, aber auch auf der Suche nach etwas zu Entdeckendem.
Die einen werden die Suche lästig und anstrengend empfinden, die anderen spannend, herausfordernd und beglückend.
Wie Menschen ihren Lebensweg finden, kann von den sozio-politischen Strukturen ihrer Herkunft bestimmt und dennoch auch vom persönlichen Engagement abhängig sein.
Neugier und Wissensdurst, Anpassung an wechselnde Lebensbedingungen, Ortswechsel, Wanderungen und damit kommunizierte Erfahrungen haben menschliche Zivilisation und Kultur entstehen lassen.
Bis zum 1. Weltkrieg waren noch viele Menschen auf der Walz (Tippelei, Gesellenwanderung). Ab dem 16. Jahrhundert gehörte die Wanderschaft für viele Gesellen sogar zur Pflicht.
Die Wanderschaft und die dabei gesammelte Erfahrung waren also Voraussetzungen, um Meister zu werden. Diese „erfahrene“ Meisterlichkeit wird in der Gegenwart in der Lehre wie im Studium eher durch „schulische“ Praxis aufgebaut. Die Nähe und Habhaftigkeit der Welt in virtuellen Netzwerken bleibt wie ein synthetischer Edelstein ohne die den natürlich erlebten Ursprung in der Erdgeschichte des Universums eine evolutionäre Transgression.
Hierzulande erfreuen wir uns eines demokratischen Rechtsstaats und es gibt viele Möglichkeiten des Suchens & Findens.
Die einen erkunden wandernd, fahrend oder fliegend die Welt, andere nutzen Literatur, das Internet … studieren, arbeiten wissenschaftlich, versuchen Problemsituationen zu kreieren und zu entschärfen, suchen Konflikte und deren Lösungsmöglichkeit, suchen Ruhe, suchen Rausch, suchen Freiheit, suchen Heimat. Manche sind bequem, begnügen sich und wollen nicht mehr wissen, als ihnen die Tradition vorschreibt oder auch erlaubt.
Frauen in Afghanistan würden gern was wissen. Dürfen aber nicht zur Schule. Der Wissensdurst der Eva hat ja schon seinerzeit zur Vertreibung der Menschen aus dem Paradies geführt!
Manche wollen es ganz genau wissen, manche geben sich mit ausgeklügelten Weltfunktionsgeschichten und abstrusen Verschwörungstheorien zufrieden, wollen Schuldige finden und verurteilen.
Aber es gibt auch noch andere Suchende: Diejenigen aus Kriegsgebieten, Gewaltherrschaftsgebieten und Dürregebieten, die ums nackte Überleben kämpfen: Immigrant*innen, die auf der Suche nach einer menschenwürdigen Heimat sind.
Künstler*innen gehen von unterschiedlichen Ansätzen und Perspektiven aus.
Barbara Hammer z. B. hat sich auf eine Spurensuche in die Vergangenheit begeben und setzt in Holzschnitten und Fotocollagen die vergangene Wirklichkeit in Bezug zur aktuellen Realität des Reisens: Reisen als Suche nach Wissen, Erfahrung, Arbeit und Sehnsucht nach Ferne in vorhergegangenen Jahrhunderten steht oft krass im Gegensatz zu heutigen Reisen: Vergnügen, Entspannung, Lustgewinn oder Geschäftserweiterung.
Lore Heuermann (- die Powerfrau wird heuer 85 Jahre) und Cy Twombly verbindet eine Art Schriftmalerei, die darauf hinweist, dass Vieles auf dieser Welt noch nicht begriffen wurde: Beide schaffen Zeichen in präziser und machtvoller Bewegung, mit denen sie ästhetische Bilder konstruieren, deren Gestik geheimnisvoll raumgreifend emotionale Erlebnisse des Suchen und Findens zulassen.
Heuermann geht von der Bewegung des Menschen aus, von seiner Haltung, seinem Ausdruck, schafft die Forderung des Anschauens und Wahrnehmens unseres Gegenübers, des Menschen in seiner Körperlichkeit, die von seiner Gesundheit, Willenskraft, Emotion, Empathie oder einem gebrochenen Widerstand, der Resignation geprägt ist. Ein Wesen, eingebunden in Natur. Dem Leben verpflichtet.
Twombly, Schüler des amerikanischen Expressionisten Franz Kline und des Malers und Schriftstellers Robert Motherwell, hat es in den europäischen Süden gezogen, in die Alte Welt und ihre mythologischen Strukturen, wo er vor Ort über das mediterrane Licht meditieren konnte und Motive und Bedingungen der Natur nutzte, um auf die Freude und Vergänglichkeit des Lebens und seine Ambivalenzen anzuspielen.
Auch wenn sich eine gewisse Redundanz im Suchen und Finden einstellt, jeder Augenblick ist ein einmaliger, neuer, auch ein Déjà-vu!
Barbara Hammer zeigt eine Holzschnittserie SÜDBAHN:
Ein Walzbuch aus der Zeit der Monarchie inspirierte mich zur Holzschnittserie
SÜDBAHN. Die Arbeitssuche führte Evstahij Garbun, geb. 1886 im Ort Kanal
im Isonzotal (heute Kanal ob Soči in Slowenien) nach Triest und dann hinaus in
die weite Welt der Monarchie, bis er zuletzt in der Steiermark seinen Ruhestand
verbrachte.
Reiserouten in umgekehrter Richtung brachten und bringen über die Südbahn die Österreicher*innen seit dem 19.Jahrhundert nach ihrem Sehnsuchtsort Triest. Und so führte
die Spurensuche auch mich von Graz über Wien, Bruck a.M., Maribor, Lubljana
und Postojna bis nach Triest ans Meer.
Die Holzschnittserie bezieht sich auf diese Spurensuche, stellt sich der Frage „ist der
Weg das Ziel“ und reflektiert die Zielsuche auf der lange Wegstrecke. Die abstrahierte Formgebung der Drucke verweist auf diese meist gebirgige Route, die mit der Geschichte
der Österreicher*innen und deren Sehnsucht nach dem Meer so eng verwoben ist.
Barbara Hammer wurde in Graz geboren, wo sie noch heute lebt und künstlerisch tätig ist.
Sie beschäftigt sich seit 1986 intensiv mit der Malerei und der Druckgrafik und suchte beständig nach Weiterbildung, so in Berlin und Dresden im Rahmen von Sommerakademien sowie in der Grafikwerkstatt Dresden (Technische Sammlung).
Barbara Hammer setzt sich in ihrer Kunst insbesonders mit dem Zeitgeschehen intensiv auseinander und bezieht Stellung zu Bedrohungen und Unrecht. Die Defizite im Umgang mit den Menschenrechten stehen aktuell im Zentrum ihrer Werke. Ihre zuletzt geschaffenen Radierungen sind zeitgemäße gesellschaftspolitische Statements.
Sie präsentierte ihre Werke bereits in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland.
Sie ist Mitglied der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs und der Internationalen Vereinigung der Holzschneider XYLON, Sektion Österreich.
Lore Heuermann in Münster geboren, kam 1956 nach Wien. 1957/58 studierte sie an der Akademie der bildenden Künste Wien und 1958 an der Pariser Académie de la Grande Chaumière. In den 1960er Jahren machte sie Studienreisen nach Griechenland, in die Türkei, nach Syrien, Jordanien, in den Libanon und nach Ägypten, sowie 1978 nach Sizilien und auf Lampedusa in Italien. Seit Beginn der 1980er Jahre bereiste sie Länder fast aller Kontinente, darunter befanden sich 1984 ein Arbeits- und Studienaufenthalt bei Harvey Littleton (siehe Studioglasbewegung) in North Carolina (USA) und 1997/98 ein sechsmonatiges Stipendium in Fujino (Japan), sowie anlässlich von Ausstellungen und Performances.
Sie ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) und seit dem Jahr 2000 der IG Bildende Kunst in Wien. 2005 war sie Kuratorin der Ausstellung Frauen machen Druck in der Galerie im Sitzungssaal in Wien. https://www.youtube.com/watch?v=_1b_ERfclNc
Lore Heuermann war mit dem Schriftsteller und ehemaligen Berliner Gastwirt Oswald Wiener (1935–2021) verheiratet, von dem sie seit 1964 geschieden ist. Gemeinsam haben sie zwei Töchter und einen Sohn, darunter die Fernsehköchin und Unternehmerin Sarah Wiener (* 1962). Heuermann lebt und arbeitet seit den 1950er Jahren in Wien.
Markus Wilfling hat an der Akademie der bildenden Künste studiert. Er transformiert Alltagsgegenstände und -materialien zu oft monumentalen Kunstobjekten und Installationen und entwickelt seine ganz eigene Formensprache in der Bildhauerei. Markus Wilfling (1966, Innbruck, Österreich) ist Bildhauer und lehrt an der Ortweinschule Graz. Zahlreiche Ausstellungen seit haben ihn als bedeutenden österreichischen Künstler etabliert. Er lebt und arbeitet in der Steiermark.
Markus Wilfling, der bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste studierte und sich im Bespielen bestimmter Orte oder Räumlichkeiten profiliert hat, stellt eine Installation vor, die den Wahrnehmunsprozess von Suchen und Finden widerspiegelt, das Finden von Realem und Fiktivem, Wahrgenommenen und Vorgestellten und darüber den Diskurs eröffnet.
Weiters stellt er ein Gedicht aus, das sich dem erlebten, aber verlorenen Tag widmet und seine Essenz zu finden sucht.
Edwin „Cy“Parker Twombly Jr., April 25, 1928 Lexington, Virginia, U.S. – July 5, 2011 (aged 83) Rome, Italy
Education:
School of the Museum of Fine Arts, Boston
Washington and Lee University
Art Students League of New York
Black Mountain College
Darlington School
Known for Painting, sculpture, calligraphy
Der US-amerikanische Maler, Zeichner, Bildhauer, Fotograf und Objektkünstler zählt zu den wichtigsten Vertretern des Abstrakten Expressionismus. Er nahm Elemente der Straße und Häuserwände in seine Kunstwerke auf, indem er spontane Zeichen auf Schiefertafeln oder andere Malgründe kritzelte. Cy Twombly legte so in den 1950er und 1960er Jahren die Grundlage zu einer neuen Malerei. Darin fand er zu einer Zeichensprache, die er scheinbar von der traditionellen Mauergraffiti entlehnte. Ergebnis war ein Stil der kalligrafischen Chiffrierung, indem er die Leinwände in Graffitimanier bemalte und mit systemisierten Diagrammen, Zahlen, Symbolen oder Wortfragmenten gestaltete…
Cy Twombly wurde am 25. April 1928 in Lexington im US-Bundesstaat Virginia geboren.
Twombly studierte in den Jahren von 1948 bis 1951 an der Washington and Lee University in Lexington sowie an der Kunsthochschule in Boston (Boston Museum School) und bis 1951 an der Art Students League in New York. Bereits 1945 fertigte Twombly vollplastische Werke an. Er unterlag den Einflüssen des deutschen Malers, Plastikers und Dichters Kurt Schwitters und des Schweizer Bildhauers, Zeichners und Malers Alberto Giacometti sowie den Objektkunstwerken der Surrealisten, die sich in den ersten Assemblagen der Fünfziger aus alltäglichen Gegenständen wiederfanden. Nach seinem Studium besuchte er auf Initiative des amerikanischen Malers und Objektkünstlers Robert Rauschenberg von 1951 bis 1952 das Black Mountain College in Beria in North Carolina. Dabei war er ein Schüler des amerikanischen Expressionisten Franz Kline und des Malers und Schriftstellers Robert Motherwell. 1955 präsentierte er der Öffentlichkeit in seiner ersten Einzelausstellung in New York erstmalig plastische Werke, die zuvor keine Beachtung fanden.
Mit Robert Rauschenberg ging Twombly auf Reisen nach Spanien, Italien und Nordafrika. 1957 verließ er die Vereinigten Staaten und siedelte nach Rom über. Die Werke des Künstlers erinnerten nun an Schriftzüge und Linien der Graffiti-Kunst, die in krakeliger Form ausgeführt wurden. Seine Bilder wirkten dadurch chaotisch. Die Gestaltung schien nur dem Zufall überlassen. Die bloß ansatzweisen Zeichnungen und Schmierspuren verstärken den Eindruck. Für Bilder dieser Art trifft der Begriff „Streukomposition“ zu. In dieser gemeinsamen Präsenz von Malerei, Geschriebenem und Zeichnung forderte er einen Assoziationsprozess des Betrachters heraus. In seiner Gemäldekunst realisierte der Maler oftmals Bilderzyklen, die in ihrer monochromen Gestaltung besonders durch eine gestenähnliche Zeichensprache wie traditionelles Graffiti wirkt. Er griff die Zeichen der Straße und Häuserwände auf, indem er sie seinen Bildern hinzusetzte. Dagegen weist eine Bildergruppe aus den siebziger Jahren eine kontinuierliche Anordnung aus Farbe, Bögen und geraden Linien auf, wie zum Beispiel in dem Werk mit dem Titel „Nini`s Painting“ (1971).
In seinen Werken verarbeitet Cy Twombly oftmals kulturhistorische oder mythologische Elemente, wie in den Werken „School of Fontainebleau“ (1971) oder „Apoll und der Künstler“ (1975). 1961 entstand der Titel „Leda und der Schwan“ (1961), für den und auch für andere Werke einfache Strukturen sowie Kreide- und Bleistiftstriche auf großformatigen Malgründen kennzeichnend sind. In der ersten Hälfte der Achtziger Jahre entstanden Landschaftsbilder mit atmosphärischem Ausdruck, in denen die Farbe vorherrscht. Neben der Gemäldekunst war Twombly auch als Bildhauer tätig und schuf ein umfangreiches Werk mit beachtlicher Bedeutung für die Skulpturkunst. Die Objekte aus bemaltem Holz weisen oftmals einen geometrischen Stil auf, wie der Titel „Rotella“ (1986) gut dokumentiert. Die oftmals mit weißer Farbe übermalten Skulpturen wie zum Beispiel die Arbeit „Thicket, Jupiter Island“ verdecken ihre ursprüngliche Bedeutung. Auch in der plastischen Kunst von Twombly spielt somit die Assoziation des Betrachters eine Rolle, beziehungsweise die Möglichkeit einer anderen Betrachtungsweise und Beilegung von anderer Bedeutung.
Twomblys variationsreiche Skulpturen wirken oftmals fragil und in sich schauend. 1953 wurde Cy Twomblys erste Einzelausstellung in der Kootz Gallery in New York organisiert. Zwei Jahre später unterrichtete Twombly am Art Department des Southern Seminary Junior College in Buena Vista in Virginia. Die rege Ausstellungstätigkeit von Cy Ttwombly geht zurück bis auf das Jahr 1951. Seine Gemälde und Skulpturen wurden in europäischen und US-amerikanischen Galerien und Museen gezeigt. 1994 fand zu Ehren des Künstlers eine Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art statt. 2002 wurden Bilder von Cy Twombly zur Gruppenausstellung „Art Chicago“ in der CAIS Gallery präsentiert. 2008 wurde er mit dem Gerhard-Altenbourg-Preis geehrt. Das Museum Brandhorst in München, unter der Leitung der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, hatte ab 2009 das gesamte Obergeschoss im Haus dem Künstler Cy Twombly gewidmet.
Cy Twombly starb am 5. Juli 2011 in Rom, Italien. (https://whoswho.de/bio/cy-twombly.html)