Eilert Asmervik UNGEMESSENE SAMMELSTELLEN DES WELLENBADES, 2020 (Detail)
Die international besetzte Ausstellung zeigt Arbeiten von Eilert Asmervik, Adrian Buschmann, İlkin Beste Çırak &  Nigel Gavus und Sigrid Mau und wurde per Telefonvon der Bürgermeisterin der Stadt Graz, Frau Elke Kahr, und der Kunsthistorikerin Iris Kasper, MA eröffnet.
Kuratorin: Irmi Horn
ROCHADE: Gibt es Strategien für eine lebenswerte Welt?
Die jungen Künstler*innen setzen sich mit den Lebensbedingungen, Hoffnungen, Erwartungen und Aussichten der Erdenbewohner*innen kritisch, humorvoll, sarkastisch und überaus ästhetisch auseinander.
Sie zeigen Perspektiven und Blickwinkel, die vom Jetzt, dem status quo, in die Zukunft gerichtet sind und wie bisher in der Kunst bedeutungsvolle Szenarien in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen lassen. Zeitgenössische Positionen & Utopien treten in einen Diskurs.
Gibt es Strategien für eine lebenswerte Welt?
Die Ausstellung ist bis 23. Oktober zu sehen.
In Zeiten der Pandemie und des Krieges, der Zeitbombe Klimawandel, der weiterhin ungerecht verteilten Güter der Erde und der Gewinne daraus, die durch Leistung unzähliger namenloser und großteils ausgebeuteter Menschen und deren Kinder erzielt werden, sind die meisten Menschen noch nicht dazu bereit, auf Überfluss zu verzichten, Gerechtigkeit einzufordern und dafür aufzutreten: eine Gerechtigkeit, die den Rechtsstatus, das Eigentum an den Produktionsmitteln, das Einkommens- oder Ausbildungsniveau, das Geschlecht, die nationale oder ethnische Herkunft betrifft.
Mag der eine oder die andere meinen, wieso werden Künstler*innen oder Kulturinstitutionen unterstützt, wo es doch an so vielen Ecken und Enden fehlt.
Immerhin gibt es zu bedenken:
Ende 2020 besaß 1,1 Prozent der Weltbevölkerung 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens. Im Jahr 2021 galten in Österreich insgesamt rund 1,6 Millionen Personen als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet*.
Über eine Million Kinder sterben jährlich an schwerer, akuter Mangelernährung, und jeden Tag sterben etwa 150 Arten – Tiere und Pflanzen – auf dieser Welt aus und kehren nie wieder zurück.
Aus der Geschichte wissen wir, dass viele Künstler*innen ein hartes Leben fristen mussten und nur gut überleben konnten, wenn sie Gönner*innen hatten. Und diese Mäzen*innen schmückten sich dann meistens mit der abgelieferten Kunst.
Maximilian I., röm.dt.Kaiser (1493-1519) war Mäzen Albrecht Dürers.
Die besten Maler, Architekten und anderen Künstler seiner Zeit versammelt der Sonnenkönig Ludwig XIV. um sich. Er gilt als größter Kunstförderer aller Zeiten. Das ist mit ein Grund dafür, warum Frankreich noch heute mit Kunst und Schönheit in Verbindung gebracht wird.
Serena Lederer, * 20. Mai 1867 in Budapest, Tochter aus reichem Haus (der amerikanische Journalist und Verleger Joseph Pulitzer war ein Verwandter)
förderte Gustav Klimt durch Ankäufe und Malaufträge.
Im Prestigemagazin fand ich folgenden Eintrag:
Ohne Peggy Guggenheim, Johanna Ey und Gertrude Stein wären Namen wie Pablo Picasso, Otto Dix, Henri Matisse, Ernest Hemingway, Djuna Barnes, Paul Klee und Joan Miró kaum zu dem geworden, was sie heute sind.
Johanna Ey, * 4. März 1864 in Wickrath als Stocken (heute ein Stadtteil von Mönchengladbach); †27. August 1947 in Düsseldorf, war das Mäzenatentum sicherlich nicht in die Wiege gelegt worden. Geboren als arme Weberstochter, heiratet sie jung den Baumeister Ey, bekommt zwölf Kinder, von denen acht früh sterben. Sie lässt sich scheiden in einer Zeit, in der Scheidung geächtet wird. Dann eröffnet sie eine Bäckerei mit Ausschank und arbeitet hart für ihr Einkommen. Die Nähe ihrer Bäckerei zur Düsseldorfer Kunstakademie, Oper und zum Schauspielhaus beschert ihr jedoch vermehrt Schauspieler, Sänger, Musiker, Maler und Bildhauer als Kunden. Da diese häufig knapp bei Kasse sind, gewährt ihnen «Mutter Ey», wie sie bald genannt wird, Kredit oder akzeptiert Bilder als Zahlungsmittel.
Ab und an gibt sie auch Porträts ihrer selbst in Auftrag. Nach und nach sammeln sich so allerhand Kunstwerke an. Die Wirtin mutiert zur Sponsorin moderner Kunst und beginnt mit dieser zu handeln. Sie erkennt zudem auch ohne höhere Schulbildung oder Herkunft die Bedeutung vieler aufstrebender Künstler. Zu ihnen gehören Otto Dix, Max Ernst, Robert Pudlich und Otto Pankok.
Bald eröffnet sie eine eigene Galerie für den Handel mit Bildern. Nach dem Ersten Weltkrieg wird die Galerie unter dem programmatischen Namen «Junge Kunst – Frau Ey» zum Mittelpunkt der Künstlergruppe «Das Junge Rheinland». Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und infolge der Gleichschaltung gelten jedoch praktisch alle Maler aus dem Umkreis Johanna Eys mit einem Schlag als entartet; die meisten sind überdies politische Gegner des Nationalsozialismus und zum Teil aktiv im Widerstand. 1933 werden deswegen zahlreiche Bilder aus Ladenbestand und Sammlung der Galerie Ey beschlagnahmt und zerstört. Im April 1934 gibt Johanna Ey ihre Galerie auf. In Düsseldorf bekommt sie, als sie im Alter von 83 Jahren stirbt, ein Ehrenbegräbnis. Sie gilt heute noch als Ikone.(https://prestigemagazin.com/einlebenfrdiekunstmzeninnen4662/)
Auch Leonardo da Vinci überlebte durch Mäzene. Z. B. Ludovico Sforza, Cesare Borgia, Lorenzo de Medici. Da Vinci war ein universalgelehrter Künstler und hinterließ vor seinem Tod noch Informationen wie diese: „Die Luft wird dünner und ohne Feuchtigkeit sein, die Flüsse werden ohne Wasserzufuhr bleiben, das Erdreich nichts mehr wachsen lassen. Die Tiere werden verhungern. Auch den Menschen wird nichts übrig bleiben, als zu sterben. Die einst fruchtbare Erde wird wüst und leer.“
Definiert sich das Wesen Mensch nicht erst durch seine Fähigkeit Kunst als Kommunikationsmedium für seine Mitwelt und Nachwelt zu schaffen? Denken wir an Höhlenmalereien der Altsteinzeit. Die bis dato älteste entdeckte Höhlenmalerei Asiens stammt von der indonesische Insel Sulawesi (zwischen Borneo und Neuguinea).
Sie zeigt eine Gruppe von teils menschlichen, teils tierischen Figuren, die Säugetiere jagen, und wurde auf ein Alter von mindestens 43.900 Jahren geschätzt (2021).
Die Grotte Chauvet-Pont-d’Arc im Departement Ardèche (Südfrankreich), zeigt die ältesten, bis heute bekannten Höhlenmalereien, die vor ca. 36.000 Jahren entstanden sind. Die Malereien zeigen Pferde, Löwen, Rhinozerosse und hunderte weitere Tiere.
Offenbar waren es Menschen der Art Homo sapiens, die da am Werk waren.
In der Höhle von El Castillo in Kantabrien existiert die älteste Zeichnung in Europa, die rote Scheibe. Sie muss vor mindestens 40.800 Jahren an die Wand gemalt worden sein. Umgeben ist sie von anderen Scheiben und etwa 40 Abbildungen von Händen. Diese könnten noch von den Neandertalern stammen.
Schon damals war Kunst ein gemeinschaftsbildendes Medium.
Peter Nobel, ein Schweizer Jurist sagt:
Kunst ist eng mit Macht und Machthabern verbunden, und ihre Entwicklung als Auftragskunst war stets der Visualisierung prächtiger, absolutistischer Erhabenheit dienlich. Dieser Befund trifft selbst noch im modernen demokratischen Staat zu. Neben Staat und Kirche gab es immer auch private Kunstförderer. Auch dieses Feld ist aber nicht frei von menschlichen Eitelkeiten. Heutige Potentaten sind wirtschaftliche Unternehmen. Warum sollen diese nutzengerichteten Organisationen der Kunst Geld geben? Es gibt einen Grund: Kreativität wird nicht im Versandhauskatalog angeboten, und Seminare dazu sind meist unfruchtbar. (https://schweizermonat.ch/macht-und-kultur-potentaten-als-maezene/)
Und genau aus diesem Grund, dass Künstler*innen, von denen noch immer viele ums Überleben ringen müssen, und Gelehrte dorthin zeigen, wo etwas zu hinterfragen ist, sollten wir alle uns glücklich schätzen, wenn Kunst auch in Zeiten wie diesen anerkennenden Respekt findet, öffentlich gefördert wird und Menschen berühren kann.
Künstler*innen sollten von ihrer Arbeit „Kunst“ leben können. Ihre Arbeit sollte nicht als finanzielle Wertanlage, sondern als ästhetisch-empathisches Erlebnis oder ethisch-moralische Folter, als Wertanlage eines Erkenntnisgewinns gesehen werden.
Ist es nicht bedenklich, dass so viele großartige Künstler*innen relativ wenig Beachtung erfahren und der Kunstmarkt, der sich oft an wenig komplexen Praktiken und glatten, dekorativen Ästhetiken orientiert, den Wert bestimmt, das Objekt der Begierde evoziert?
Abschließend die Frage, die sich nicht nur auf finanziellen Reichtum bezieht:
Wird dieses Modell 1,1 Prozent der Weltbevölkerung besitzt 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens weiterbestehen?
Wenn Kunst und Kultur als fundamentale Bestandteile der Gesellschaft erkannt werden, sollte auch ein Zusammenhalt der Menschen durch eine Rochade in den Besitzmechanismen zu einer gerechten, lebenswerten Welt errungen werden.
Oder reicht es, wenn die Kunstsammlung Habsburg-Lothringens im kunsthistorischen Museum aktuell für € 18 öffentlich zugänglich ist?
Die Ausstellung ist bis 23. Oktober zu sehen.
Eilert Asmervik (*1997, Trondheim, NOR) wohnt und arbeitet zwischen Graz und Paris.
Als bildender Künstler mit Malerei als Hauptfach lotet er unterschiedliche Möglichkeiten für Bildwelten aus und verarbeitet die Bedingungen der Entstehung. Die malerische Praxis steht in einem ständigen dynamischen Austausch mit seiner parallel eingesetzten Musik-Klangverbindung, was wechselseitig befruchtend wirkt.
Eine Ãœberlagerung von Bildwelten sättigt das Spektrum seiner medienübergreifenden Bildproduktion; digitale, gemalte und gedruckte Bilder bilden Bindeglieder in der „Kette von Bild und Aber-Bild“.
Als Nebeninstrumente des künstlerischen Schaffens treten unter anderem Video, Sounddesign, Publikationen und Installation auf.
Er studiert seit 2019 Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Daniel Richter, mit Aufenthalten an der Beaux Arts de Paris bei Nina Childress (2021/22) und der Akademie der bildenden Künste Düsseldorf bei Andreas Schulze (2023). Ausgestellt bei u.a. Forum Stadtpark Graz, kunstGarten Graz, Printed Matter New York und Galerie Sophie Tappeiner Vienna.
Ausstellungsansicht/exhibition view: Eilert Asmervik
Eilert Asmervik & Nigel GavusÂ
OHNE TITEL (Video Color, Sound, 30:00 min, 2022)
Does the sound come to the ear or does the ear go to the sound?Â
The film has arisen through improvisatory nature and openness.
In it, we float through awareness of sound, reality planes, and ambiguousness.
Appreciating the singularity of wordlessness and plenty of possible planes of subjective interpretation the creators have preferred not to commit further categorization or definition by words.
Kommt der Ton zum Ohr oder geht das Ohr zum Ton?Â
Der Film entstand durch Improvisation und Offenheit.
In ihm schweben wir im Bewusstsein von Klang, Realitätsebenen und Mehrdeutigkeit.
Die Macher schätzen die Singularität der Wortlosigkeit und in Anbetracht der vielen möglichen Ebenen der subjektiven Interpretation haben sie es vorgezogen, sich keiner weiteren Kategorisierung oder Definition durch Worte zu unterwerfen.
Die frühen Arbeiten Adrian Buschmann (Kattowitz/PL1976) waren geprägt von Referenzen zur Kunst der Romantik, von der Suche nach dem Nichts, von an Verweigerung grenzender Reduktion. Die Beschäftigung mit Vorbildern (Picabia, Chwistek, Kandinsky) zeigt sich in Buschmanns Werk ebenso wie das Streben nach selbstreferenziellen Eigenschaften eines Gemäldes. Ein komplexes System aus Zeichen und Strichen, vorwiegend abstrakt mit wenigen figürlichen Details, daneben nicht klar begrenzbare Farbflächen, Textbestandteile und stark malerische Partien definieren seine Kompositionen. Adrian Buschmann studierte an der Akademie der Künste Berlin bei Daniel Richter und erhielt einen Anerkennungspreis des STRABAG Artaward International 2013. Seit 2014 lebt und arbeitet Buschmann an der italienischen Riviera, in Wien oder sonstwo. Seine Installationen im kunstGarten sind eine Überraschung, sie entstehen vor Ort und sind ab der Eröffnung zu sehen.
Treffend beschreibt Victor Cos Ortega im zwingen zusätzlich zur Unschärfe des Bildes artmagazin, 21.07.22 die letzte Ausstellung eine Fokussierung auf. Das Bild braucht Bewe- Buschmanns „Hirn“ 01 – 30.07.2022 in der gung (des Auges), es braucht Zeit. Eine Eigenart Gabriele Senn Galerie, 1040 Wien
Als Genre ist die Malerei insofern bildend, als dass Farbe additiv der Leinwand aufgetragen wird, woraus das Bild entsteht. Im Gegensatz dazu geschieht die Werkentstehung bei klassis- cher Skulptur durch Subtraktion. Die Figur wird aus dem Stein herausgelöst, der Diamant geschliffen, bis er seine schönste Form erreicht. Vor den Arbeiten Adrian Buschmanns (geboren 1976 in Kattowitz, Polen) gibt es einige Gründe, daran zu denken: Zwar setzt auch Buschmann Farbschicht über Farbschicht. Aber enthül- len sie genauso wie sie bilden – bei einem Portrait wird das Gesicht (dem Anschein nach noch) von einem weißen Anstrich überdeckt; anderen, großen Leinwänden drückt sich ihr Rückgrat, der Keilrahmen, als Doppelkreuz durch Stoff und Farbe durch.
Die Bilder entstehen aus einer Vielzahl an Ebenen, dünnen und dicken, mal trocken, mal nass aufgetragen. Sie sind flächig, linear oder schraffiert, selten mit klarer Kontur, ein Gewusel aus Mäandern, Strichen und Flecken. Von gedeckter Farbigkeit, dabei nicht stumpf, sondern bunt, mit Fetzen warmen Gelbs gehöht, mit Kreideweiß gedrückt. Die so gebaute(befreite?) Tiefe transzendiert die Ebene der Leinwand. Sie ist flüchtig: bei Bild- maßen jenseits der zwei Meter wirken die Beschränkungen des scharfen Sehens mit – und zwingen zusätzlich zur Unschärfe des Bildes eine Fokussierung auf. Das Bild braucht Bewe- gung (des Auges), es braucht Zeit. Eine Eigenart
von Skulptur, die wenn man so will auch jeder Wandarbeit zugestanden werden sollte. Hier auf jeden Fall. In weiteren Arbeiten sind figura- tive Elemente eingeführt: einige wenige bis zur Unkenntlichkeit verzerrte und verschlungene Figuren von Menschen, Requisiten und geometrische Formen. Wieder gibt es Überlagerungen und Doppe- lungen, viel bleibt verschwommen, oft wächst die Farbe nur schwach aus dem Grund heraus, fast ident mit diesem. Bilderfetzen sind so einerseits in die Fläche gesetzt, andererseits in amorphe Architekturen gebettet … Der Gegensätzlichkeit des Bewusstseins: Flüchtigkeit und Beständigkeit, Oberflächlichkeit und Tiefe, Klarheit und Unklarheit ist ein Bild gegeben.
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İlkin Beste Çırak & Nigel Gavus
*1994 Izmir, lebt in Wien / *1992 Graz, lebt in Wien und Graz
İlkin Beste Çırak ist als bildende Künstlerin und Poetin tätig. Sie ist Absolventin der Universität für angewandte Kunst (Social Design) und studiert derzeit Bildhauerei & Raumstrategien an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ausgehend von öffentlichen Räumen als Kern des Zusammenlebens beschäftigt sie sich mit Lokalitäten, Identität, Kulturproduktion und Partizipation. Sie lebt und arbeitet in Graz und Wien.
Nigel Gavus ist als Filmemacher und bildender Künstler tätig. Er absolvierte die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film und studiert derzeit an der Akademie der bildenden Künste Wien. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit Zeit, Erinnerung, Identität und der Beziehung zwischen Poesie und Kino. Er lebt und arbeitet in Wien und Graz.
It’s on a day like this … (16mm to Video, Color, Sound, 16:00 min, 2021)
Synopsis:
Eine Frau liegt auf einem Bett, umgeben von alltäglichen – popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen das ganz Große umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt durch Genauigkeit und Prägnanz entgegentritt.
Der Film könne denken, indem er Verhältnisse zwischen Menschen und Dingen herstelle und abbilde, schrieb Alexandre Astruc. In Nigel Gavus’ und İlkin Beste Çıraks It’s on a day like this… wird die bestechende Klarheit dieser Beobachtung im Film und am Film augenscheinlich: Eine Frau liegt auf einem weiß bezogenen Bett, umgeben von einfachen – alltäglichen, popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu entspinnt sich auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen, der Welt der Objekte, das ganz Große, die Fragen der Existenz in einer Gegenwart außerhalb des Bildes, umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt, eines von vier Seiten umgebenen Kaders durch die Genauigkeit und Prägnanz eines körperlichen Spiels und eines filmischen Blicks entgegentritt. Alles ist möglich, auf kleinstem Raum, im Kino wie im Leben.
Text: Alejandro Bachmann
Letters from a Window (35mm to Video, B&W, 4:30min, 2020)
Synopsis:
Stillstehende Bewegung – Bewegung im Stillstand – Fotofilm. Momentaufnahmen einer Reise durch städtische Zonen, durch ein verloren gegangenes Außen. Dazu das poetisch-monologisierende Voice-over einer Frau, die über die Trennung von der Welt, über Erinnerung und Traum reflektiert. Ein surrealer filmischer Brief über die unwirkliche Stimmung in Krisenzeiten.
„I’m a shadow. I’m a vague image that travels in memories. What distinguishes a human from a picture?“ Eine Frau auf dem Weg durch eine Stadt. Momentaufnahmen des Außen, des urbanen Treibens, von Architektur, Menschen, Gesichtern und flüchtigen Begegnungen. Festgehalten in kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern – Standbilder, denen durch Bewegungsunschärfen, Bildmontagen und eine atmende Handkamera Leben eingehaucht wird. Stillstehende Bewegung, Bewegung im Stillstand, Fotofilm. Das lebendige Leben aber spielt sich auf der Tonebene ab: Stadtgeräusche, Straßenverkehr, hier und da Stimmen von Passant/innen – AbhanÂdengekommenes. Das, was den Menschen ausmacht, von Steinen unterscheidet, entfaltet sich im poetisch-monologisierenden Voice-over, das über die Trennung von der Welt und von geliebten Menschen, über Erinnerung und Traum reflektiert. Innere Bewegung, Entfremdung, Sehnsucht. Die unwirkliche Stimmung einer Zeit der Krise – festgehalten in einem surrealen filmischen Brief, den es zu übermitteln gilt.
Text: Michelle Koch
8 x 8: exquisite corpse (16mm to Video, 01:30 min, 2020)
Ä°lkin Beste Çırak „where memories sink then“ (2022), Installation
Sigrid Mau (geb. 1994 in Dänemark) studiert seit 2016 Malerei und Performance an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie arbeitet hauptsächlich mit Malerei/Zeichnung und textbasierten Performances, die sich mit Themen wie Sexualität und Dominanz, Einsamkeit und Fruchtbarkeit, Paranoia und Besessenheit und ihren Auswirkungen auf den weiblichen Körper und die weibliche Psyche auseinandersetzen.