Blooming Simulacra (c) Anaïs Horn 2022-Videostill
Birke Gorm (DK) war Artist in Residenz im kunstGarten und arbeitete hier mit Holz. Sie studierte an der Hochschule für bildenden Künste in Hamburg und an der Akademie der bildenden Künste Wien. Indem sie das Material von seiner Funktion löst, erschafft sie Möglichkeiten, neue Kontexte zu transportieren. Sie bearbeitet ihr Trägermaterial und kreiert ihre individuelle Bildsprache in ihren Serien. Hier: IOU.
Der Ausdruck auf ihren Gesichtern ist einheitlich. Die Augen sind geschlossen – auf eine scheinbar friedliche Art und Weise, die aber gleichzeitig ein Vermeiden des Erlebens der Umgebung eingesteht. Die Zungen herausgestreckt, frech und unverschämt, aber auch die einzige Möglichkeit, den anderen die Hand zu reichen, denn allen diesen Wesen fehlen die Gliedmaßen. Sie interagieren nur über ihre Zungen miteinander, tragen, balancieren und halten sich gegenseitig fest oder klammern sich aneinander. Abhängigkeit, dargestellt in einer Weise, die sowohl lethargisch als auch leidenschaftlich verstanden werden kann. Der haptische handwerkliche Arbeitsprozess, den die Künstlerin vornimmt, stellt ein Gegengewicht zu vielen ihrer Bildmotive dar, die unsere heutige Leistungsgesellschaft veranschaulichen. In ihrer Arbeit setzt Birke Gorm die Autonomie des Materials ins Verhältnis zu geschlechtlich und historisch konnotierten Techniken und deren Ästhetik. Birke Gorm ist Anerkennungspreisträgerin des STRABAG Artaward International 2020. Im Anschluss an die Grazer Präsentation wird sie die MAK GALERIE, 12. Oktober 2022 – 8. Jänner 2023 in Wien bespielen.
Material und Materialität stehen bei mir definitiv im Mittelpunkt. Ich arbeite so reduziert wie möglich und möchte jedes Detail verstehen – als Element in Zusammenhängen außerhalb meiner Praxis, sowie welchen Platz oder welche Rolle es in meinem Materialvokabular einnimmt. Außerdem ist mir wichtig, dass die Materialität in einem Verhältnis zu dem steht, was ich gestalte oder abbilde, und diesem etwas hinzufügt.
Anaïs Horn, geboren in Graz (AT), lebt und arbeitet in Paris (FR).
Projektbeschreibung
Ein Lichtschein auf dem Faltenwurf, die Blüten im Dunkel versinkend, ist es Abendlicht, das durch einen zarten Vorhang streift, oder ist es das letzte Aufflackern einer Kerze, das dieses Bild erhellt? Wie still sind die Objekte in diesem Stillleben, wie tot ist die Natur in dieser Nature Morte? Das radikale Denken (Baudrillard) bezieht seine Kraft – ähnlich dem echten Bild, das „dieses Zittern der Welt“ bewusst macht – aus der Ablehnung der Wirklichkeit. Statt Transparenz zu schaffen, wird das Geheimnis wieder eingeführt: Die Illusion erarbeiten, erschaffen. Rätselhaft machen, was klar ist, unbegreiflich, was begreiflich ist … die Welt so zurückgeben, wie wir sie bekommen haben, unbegreiflich. Für „Blooming Simulacra“ inszeniert Horn lebendige Stillleben im Grazer Kunst- garten. Ein Augenblick des Entstehens wird fotografisch abge- bildet, ein Moment im Laufe des Vergehens, im Kreislauf – eine nächtliche Illusion – sichtbar gemacht, wie sie niemals sichtbar sein kann. Nach diesem Moment der Aneignung werden die lebendigen Bilder der Natur zurückübergeben und wandeln sich: Als Zeuge bleibt das eine Bild, das Punctum. In der Ausstellung werden diese Bilder präsentiert – aber auch die lebendigen Still- leben aus Keilrahmen, Stoffen und Pflanzen, die dann schon einige Wochen lang dem Lauf der Natur überlassen wurden und sich verändert haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit, in jedem Augenblick, nie mehr gleich aussehen werden. Das Geheimnis des einzelnen Bildes bleibt für immer verborgen.
ANAÏS HORN Blooming Simulacra, installation, 2022, Duchesse-satin (indigo 80 × 50, purple 180 × 110, gold 130 × 80, petrol 120 × 190) on stretcher frames and aluminium stands.
We call change in a person the effect of time, 2022, video (color, sound), 2:50, sound composed and performed by Eilert Asmervik.
From the series: I like listening to night creatures, Untitled (Charles Austin, 1971), Untitled (Chrysler Imperial, 1952), Untitled (Salet, 1854), Untitled (Comte de Chambord, 1860), all 2022, direct prints on acrylic glass and laminated on alu-dibond, 60 × 40 cm each, in artist’s frame.
Wikipedia:
Als Simulacrum oder Simulakrum (Plural: Simulacra oder Simulakren) bezeichnet man ein wirkliches oder vorgestelltes Ding, das mit etwas oder jemand anderem verwandt ist oder ihm ähnlich ist. Der lateinische Ausdruck simulacrum leitet sich über simulo („Bild, Abbild, Spiegelbild, Traumbild, Götzenbild, Trugbild“) von simul („ähnlich, gleich“) ab. Die Bedeutung kann abwertend gemeint sein im Sinne eines trügerischen Scheins, sie kann aber auch positiv verstanden werden im Rahmen eines Konzepts produktiver Phantasie